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Samstag, 24. August 2013

Geben und empfangen






In diesen Tagen sind es bereits 2.400 Flüchtlinge, und ich fürchte, dass die Zahl noch steigen könnte, da die Situation im Lande sehr unsicher ist. In dieser Woche gab es Schießereien und Plünderungen und mindestens ein Dutzend Tote in der Hauptstadt Bangui. Aber auch im Rest des Landes gibt es keinen Frieden. In Bohong, einer  80 km von Bouar entfernt gelegenen Pfarrei in unserer Diözese, wurden die Priester und Ordensschwestern durch die Schüsse und die Plünderungen dazu gezwungen, den Ort zu verlassen. Einer der Priester, Abbé Michel, hat 80 km zu Fuß zurückgelegt. In Beboura (ca. 150 km von Bozoum entfernt) gab es ebenfalls viele Tote. Die ersten Flüchtlinge kommen jetzt in Bozoum an. Hier in Bozoum konnten wir diese Woche damit beginnen, die Flüchtlinge mit Hilfsgütern zu versorgen. Trotz einer Brücke, die durch einen umgekippten Militärlastwagen blockiert war, haben wir bedeutende Lieferungen an Nahrungsmitteln und Sachgütern erhalten.
Dank UNICEF und HCR haben wir einen Lastwagen mit den dringendsten Gegenständen erhalten: 600 Decken, 600 Moskitonetze, 600 Plastikplanen, 600 Kanister, 4520 Stück Seife, 300 Hygienesets und 300 Sets mit Küchenzubehör. Die Nahrungsmittel wurden vom Welternährungsfond (PAM) geschickt: Maismehl, Salz, getrocknete Erbsen und Öl. Zwei Lastwagenladungen… Aber die Hauptarbeit besteht darin, den Familien die Lebensmittel entsprechend der Anzahl der Personen zuzuteilen. Aber mit Geduld (seitens der Flüchtlinge, aber auch seitens der Freiwilligen der Pfarrei) haben die Flüchtlinge ein bisschen Hilfe empfangen, die es ihnen gestattet, der Zukunft mit etwas mehr Hoffnung entgegenzusehen.
 
Danke an UNICEF, an HCR und PAM. Danke an ACF (Action contre la Faim), die mit der Logistik betraut ist. Danke an die, die sich in der einen oder anderen Weise bemühen, etwas zu tun : Benjamin, Robert… Ein großer Dank an alle Freiwilligen, die mit Mut und Liebe gearbeitet haben. Und danke auch den Flüchtlingen : Ein Lächeln eines dieser Kleinen, dieser Frauen und dieser Männer ist eine Frohe Botschaft. 












Sonntag, 18. August 2013

Ein großes Geschenk!











In diesen Tagen haben wir ein sehr großes Geschenk erhalten: den Besuch des Erzbischofs von Bangui, Dieudonné Nzapalainga. Er ist eine der wenigen Stimmen des Landes, die sich gegen die Ungerechtigkeit und die Gewalt erheben. Er ist der Vorsitzende der Bischofskonferenz und der Caritaspräsident.  Er bringt uns die Solidarität der Kirche und eine große Ermutigung. Er ist gekommen, um die Situation der 2.400 Flüchtlinge in Augenschein zu nehmen, die die Dörfer an der Verbindungsstraße Bozoum-Bossangoa  verlassen haben, um nach Bozoum zu gelangen.
Den Samstag beginnen wir mit einem Treffen mit den Vertretern der acht Dörfer, die ihre Situation und ihre Nöte schildern. Zu allererst: Frieden und Sicherheit. Und dann auch Medizin, Nahrung, Schlafplätze etc. Um zehn Uhr treffen wir uns mit einem der überaus seltenen Beamten, die in der Stadt geblieben sind. Er hat jedoch keine Macht, weil alles in den Händen der Rebellen ist, die tun, was sie wollen, und die sogar die Justiz verwalten.
Um elf gehen wir zu einem Treffen mit dem Konsul des Tschad (viele der Rebellen stammen aus seinem Land). Anschließend treffen wir den Anführer der Rebellen. Wir reden und reden – und das ist schon etwas. Ich erkläre ihnen, warum wir gekommen sind, und sage ihnen, dass sie diese Dörfer in Ruhe lassen sollen und dass sie die Gefangenen freilassen sollen…
Am Nachmittag besuchen wir einige Familien. Fast alle wurden von Verwandten oder Freunden aufgenommen.  Bei einer Familie sind 38 Personen angekommen!
Um 15 Uhr treffen wir die Flüchtlinge. Mehr als 500 sind gekommen!

Sonntag, den 19. August
Wir beginnen mit der Feier der Heiligen Messe, der der Erzbischof vorsteht. Ich hatte befürchtet, dass aufgrund des geänderten Zeitplanes nur wenige Leute kommen würden, aber die Kirche war überfüllt. Der Erzbischof hat uns mit seinem Gebet begleitet und dabei geholfen zu glauben und zu hoffen.
Um neun, sofort nach der Messe, brechen wir auf. Ich fahre mit meinem Auto vorneweg, weil der Erzbischof von gabunesischen Soldaten der FOMAC-Truppe eskortiert wird. Ich befürchte, dass die Leute die Flucht ergreifen, wenn sie die Soldaten sehen…

In Voudou halte ich an. Dort halten die Rebellen gerade ein Treffen ab. Sie laden mich ein, und ich kann es nicht ablehnen. Sie sind dabei ihre Waffen zusammen zu tragen (die alten Flinten, die aus Wasserrohren gemacht sind). Ich versuche die Leute zu beruhigen, auch weil die Rebellen, die so viele Probleme bereitet haben, die Rebellen aus Bossangoa sind, nicht die aus Bozoum.  Nach ca. zehn Minuten trifft der Erzbischof ein, begegnet den Leuten und macht ihnen Mut.
Wir fahren weiter bis Bossa, wo die Rebellen einen Menschen getötet haben (der übrigens behindert war). Die Bewohner des Dorfes haben sich versteckt und kommen erst hervor, als sie verstehen, dass wir es sind. Während wir sprechen, kommen die Rebellen an. Panik bricht aus, und alle fliehen. Wir sagen den Leuten, dass sie ruhig bleiben sollen, und langsam und zögerlich beschließen sie zu bleiben.
In Bodalo , einem leeren Dorf, IST KEINE MENSCHENSEELE. Nur  bei der Rückkehr begegnen wir  vier (!) Personen!
In Kemo sind die Leute da, aber sie sind in Angst und Schrecken. Einige von ihnen wurden gefesselt und verprügelt. Wir überqueren den Fluss, um uns mit den Rebellen zu treffen – mit den schlimmsten von ihnen! Der Anführer  sitzt hingelümmelt auf einem Stuhl. Er spricht nur Arabisch. Sein Stellvertreter  macht den Dolmetscher.  Wir sagen, wir seien gekommen, um die Dörfer zu besuchen, die von ihren gewaltsamen Übergriffen und Massakern betroffen waren. Der Anführer sagt, dass es nicht wahr sei und dass nichts geschehen sei. Ich lasse es ihn zweimal wiederholen.
Als wir ihren „Stützpunkt“ verlassen, sind auf der anderen Seite der Straße die Einwohner des Dorfes. Wir gehen zu ihnen und machen ihnen Mut… 
Dann lassen wir den Bischof nach Bossangoa weiterfahren. Wir kehren nach Bozoum zurück – mit ein bisschen Hoffnung, aber auch mit soviel Traurigkeit. Was wir gesehen haben, ist nur ein winzigkleiner Teil des Schmerzes und des Leids, das dieses Land hier seit fünf Monaten durchmacht.  Und während wir hier sind, legt der selbsternennte Präsident seinen Eid ab. Es sind so viele Zweifel und so viele Fragen!








Samstag, 17. August 2013

Besondere Tage für die Flüchtlinge in Bozoum


Ein großes Ereignis für Bozoum ist der Besuch des Erzbischofs von Bangui Dieudonné Nzapalainga, der auch der Caritaspräsident und der Vorsitzende der Bischofskonferenz der Zentralafrikanischen Republik ist.
Er kommt zu Besuch, um uns die Solidarität der Christen aus Bangui mitzubringen und um den über 2.400 Flüchtlingen nahe zu sein, die wegen der durch die Séléka-Rebellen verübten Massaker aus ihren Dörfern an der Verbindungsstraße zwischen Bozoum und Bossangoa fliehen mussten.

Samstag, den 17. August
8:30 Uhr: Treffen mit den Vertretern der 8 Dörfer
10:30 Uhr: Treffen mit einem Verantwortlichen der Polizei
11 Uhr: Treffen mit dem Konsul aus dem Tschad und mit dem Kommandanten der Rebellen
14 Uhr: Besuch bei einer Familie, die Flüchtlinge beherbergt (nur bei dieser einen sind 38 Flüchtlinge untergebracht)
15 Uhr Begegnung mit über 530 Flüchtlingen

Sonntag
7 Uhr: Messe
9 Uhr: Abfahrt in das Gebiet, wo die Vorfälle stattgefunden haben












 

Sonntag, 11. August 2013

Eine schwere Woche






Eine schwere Woche
Ein Sonntag im August… Hier in Zentralafrika sind wir mitten in der Regenzeit, der Zeit der Feldarbeit. Viele Familien wohnen dann  auf den Feldern, um dem Anbau von Erdnüssen, Mais, Hirse, Sesam, Maniok und Reis nachzukommen  – und sie kehren nur samstags und sonntags für eine kurze Ruhepause in ihre Dörfer zurück.
Letzten Sonntag kam nach der Messe ein Hilfskatechet aus dem Dorf Bossa und brachte schlechte Nachrichten. Die Séléka-Rebellen waren gekommen und hatten mindestens 5 Personen getötet. Ein Baby von 5 Monaten starb in seinen Armen: sie konnten nichts tun, um es medizinisch zu behandeln! Er sagte mir, viele seien aus den Dörfern geflohen, um nach Bozoum zu gelangen. Diese Dörfer sind 65 bis 115 km entfernt. Und die Menschen sind zu Fuß unterwegs!
Wir fangen an uns zu organisieren. Ich informiere die Freiwilligen aus der Pfarrei und das System der Vereinten Nationen in Bangui, und am Dienstagmorgen haben wir ein erstes Treffen mit den Vertretern aus den Dörfern, aus denen die Menschen geflohen sind (Bossa, Bódalo, Kemo, Ouham Bac, Bowe, Bouassi und Bodala, alle an der Straße, die Bozoum mit dem 140 km entfernten Bossangoa verbindet). Wir erhalten Informationen und helfen ihnen dabei, sich zu organisieren und eine Liste der Flüchtlinge mit den Namen der Eltern und der Zahl der Kinder jeder Familie zu erstellen. Momentan  (aber bestimmt werden es noch mehr) sind es 331 Erwachsene und 589 Kinder, insgesamt 920 Personen.  
Am Dienstagnachmittag haben wir eine große Versammlung mit 400 Flüchtlingen. Es ist auch ein Beamter vom Koordinationsbüro  für humanitäre Angelegenheiten der UNO dabei. Die Vertriebenen schildern ihre Situation und bringen die dringendsten Nöte zum Ausdruck: Medikamente, Schlafmatten, Planen, um sich vor dem Regen zu schützen. Wir hören uns die Nöte an und notieren sie. In der Zwischenzeit wählt jedes Dorf drei Personen (darunter je eine Frau) als Vertreter und Verbindungspersonen.  
Am Mittwoch fahren wir nach Bossangoa. Auf 65 Kilometern ist alles in Ordnung. Aber ab Bossa erreicht man das betroffene Gebiet: hier sind ungefähr ein Dutzend Dörfer vollkommen leer. Es ist erschütternd! Große Dörfer mit 200-300 Häusern – und kein Mensch ist dort!
In einem Dorf nehmen wir eine Bewegung wahr. Wir halten an: Es ist eine Frau, die in panischer Angst flieht. Wir rufen, dass wir unbewaffnet sind, und schließlich kommt ungefähr ein Dutzend Menschen hervor und begrüßt uns. Dies ist das Dorf Wikamo, wo die Rebellen einen Menschen getötet und einen weiteren verletzt haben…
Am schlimmsten ist es jedoch in Ouham Bac, wo es eine Fähre gibt, auf die Menschen steigen und Motorräder und Autos geladen werden, um den Fluss zu überqueren. In diesen Fluss haben die Rebellen die Leichen der Getöteten geworfen… Die genaue Zahl ist unbekannt, aber es dürften 30-40 Personen sein, die von den Séléka-Rebellen getötet wurden…
Wir begegnen den Rebellen, als wir das Dorf verlassen. Es gibt nur eine Straße, und sie fragen mich, wohin wir fahren… Dann kommt einer, der der Anführer sein soll, aber der nichts als Arabisch spricht… Ich spreche weiterhin Sango: Wenn er es nicht versteht, kann er ja in sein Land zurückkehren! Er knurrt ein bisschen, aber dann können wir weiterfahren.
In Bossangoa, einem großes Dorf, das aber zur Hälfte von den Rebellen zerstört wurde, treffen wir einem Priester, einen Lehrer aus Ouham Bac (er hat noch immer Verletzungen am Kopf, die ihm von den Rebellen zugefügt worden sind) und die Verantwortlichen für die staatlichen Schulen. Die Situation ist sehr schwer: seit März funktionieren die Schulen nicht. Es werden zwar Prüfungen abgelegt, aber die Schüler kommen direkt aus dem Busch, wohin sie vor 5 Monaten geflohen sind, in die Klassen. Am Donnerstagmorgen ein weiteres Treffen mit den Vertretern der Dörfer, um alle Daten zu sammeln, die es uns ermöglichen werden, am Montag d. 12 August jeder Familie eine Ausweiskarte auszuhändigen und damit die Verteilung  der Hilfe und die Betreuung zu erleichtern. In dieser Woche beginnen wir mit der medizinischen Betreuung in unserer Krankenstation, und wir hoffen, dass die UNO und andere Hilfsorganisationen bald etwas tun werden.
Wenn eine Familie ihr Dorf verlässt, ist es schlimm. Aber wenn man die Felder mitten in der Regenzeit zurücklässt, wenn sie bestellt werden müssen, bedeutet es, dass man keine Hoffnung mehr hat!
Das ist der Grund, aus dem wir hier sind. Gemeinsam mit den Freiwilligen aus der Pfarrei und anderen, die die Flüchtlinge einfach aufnehmen. Hier braucht man kein Flüchtlingslager: Freunde, Bekannte, Verwandte  – alle versuchen, eine hilfreiche Hand zu reichen. Aber es ist hart! 











Samstag, 10. August 2013

Wer kommt und wer geht

 



 
Nach der sehr langen Nachricht in meinem Blog war für zwei Wochen Ruhe, weil ein Blitz in der Nähe der Missionsstation einschlug und den Router und andere Geräte verbrannte, so dass wir fast 10 Tage lang vom Internet abgeschnitten waren.
Nun wollen wir weitermachen.
Am Mittwochmorgen brach ich um 4 Uhr früh mit Hyppolite und seiner Mutter nach Bangui auf.
Hyppolite ist 16 Jahre alt und gelähmt und wir versuchen, ihn nach Italien zur Behandlung zu schicken, damit er dort geeignete medizinische Hilfe bekommt.
Unsere Fahrt ging gut, abgesehen von den zwölf (12!) Straßensperren, die die Rebellen errichtet hatten, durchschnittlich alle 30 km eine. Das übliche Theater!
An einer der letzten Straßensperren fragten sie mich, wohin ich fahre. Diese Straße führt nach Bangui. Dann forderten sie 4000 Francs (6 €). Ich sagte, ich würde nicht bezahlen. Schließlich gaben sie auf und öffneten die Straßensperre.
In Bangui hatte ich den Eindruck eines kleinen Fortschritts. Es waren weniger Seleka-Rebellen zu sehen, überall standen Polizisten herum. Aber die Situation ist bei weitem nicht ruhig.
In jenen Tagen gab es noch Angriffe, Überfälle, Plünderungen und Mord. Oft werden Leichen im Fluss gefunden.
Am Donnerstagmorgen schafften wir es, ein Foto von Hyppolite zu machen,  seine Fingerabdrücke und die Unterschrift für den Pass zu registrieren.
Theoretisch sollte das in zwei Wochen erledigt sein!
In der Zwischenzeit kamen Pina und Sara an, die uns die Solidarität und Freundschaft von Cassina Amata, einer Gemeinde in der Diözese Mailand, bringen. Seit Jahren unterstützt diese Gemeinde die Missionsstation in Bozoum und ihr Besuch ist gerade in dieser Zeit  ein schöner Trost!
In diesen Tagen beginnen auch die Prüfungen in der Schule. Am Samstag gab es die in der Grundschule: alle Schüler haben bestanden. Sogar die öffentlichen Schulen haben es geschafft, eine annehmbare Arbeit zu leisten.
Die Situation ist weiterhin sehr fragil. Heute meldete man mir die Ankunft von ungefähr 1000 Menschen, die aus den Dörfern an der Straße nach Bossangoa (70-100 km von Bozoum entfernt) geflohen sind. Die Rebellen der Seleka kamen in die Dörfer, schossen, plünderten, nahmen Geiseln. Es gab mindestens 5 Tote, darunter ein fünf Monate altes Baby; es starb, weil es nicht medizinisch versorgt werden konnte.
Heute treffe ich die Flüchtlinge und morgen die Dorfältesten und wir werden sehen, was man tun kann.
In diesen Tagen denke ich an einige Zeilen der Enzyklika „Lumen Fidei“:
Das ist, weil diejenigen, die glauben, nicht allein sind, und weil der Glaube dazu neigt, sich zu verbreiten, und andere zur Freude einlädt. Wer den Glauben erhält, entdeckt Räume, sein „Ich“ zu erweitern, und neue Beziehungen, die sein Leben bereichern, werden in ihm erzeugt.“(39)