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Samstag, 28. September 2013

Brot, Schulen und Foltern








Brot, Schulen und Foltern
Am Montag, den 23 September, haben wir die Schulen vom Kindergarten bis zum Gymnasium wieder geöffnet. Ein Meer von Kindern - Mädchen und Jungen - hat die Missionsstation in Bozoum überschwemmt. Lehrer, Lehrerinnen, Eltern und Schüler, alle standen bereit, um das Abenteuer Schule aufzunehmen. Um außer lesen und rechnen auch leben zu lernen. Unsere Schulen werden von Kindern und Jugendlichen aller Ethnien und aller Religionen besucht. Und gerade jetzt, da in Zentralafrika die Spannungen zwischen Moslems und Christen zunehmen, wollen wir, dass unsere Schulen offen für das Zusammenleben und den gegenseitigen Respekt sind.
Am Mittwoch brechen wir nach einer Nacht, in der es heftig geregnet hatte, in die Dörfer Bossa, Bodalo 1 und Kemo auf, die an der Straße nach Bossangoa liegen, um dort die Nahrungsmittel des Welternährungsprogrammes an die Menschen zu verteilen, die sich auf den Feldern verstecken Es ist schön, die Freude und die Dankbarkeit dieser Leute zu sehen. Es sind mehr als 1300. Und noch schöner ist es, ein bisschen Hoffnung zu sehen. Die Lage ist etwas sicherer geworden, weil die Rebellen, die in Ouham Bac waren, von dort weggegangen sind und weil sie jedenfalls nicht den Fluss überqueren können, da die Fähre, die dazu dient, auf die andere Seite zu gelangen, blockiert wurde. Die Verteilung der Lebensmittel verläuft gut. Das einzig Unangenehme ist, dass der Lastwagen bis Mitternacht im Schlamm feststeckt…
In diesen Tagen wurde bei der Vollversammlung der UNO ein bisschen über Zentralafrika gesprochen. Wir hoffen, dass es konkrete Ergebnisse geben wird, denn die Situation verschlechtert sich weiterhin. Außer den Kämpfen, die in den vergangenen Wochen in Bossangoa stattfanden und die zur Folge hatten, dass 30.000 Menschen geflohen sind, haben die Rebellen der Séléka in der vergangenen Woche im Dorf Herba, das 70 Kilometer von der Straße nach Bocaranga entfernt liegt, zwei Menschen getötet und 206 Häuser niedergebrannt
Und als hätte das nicht genügt, wurde ich am Donnerstag von jemandem aus Europa angerufen, der etwas über ein Video auf Youtube in Erfahrung bringen wollte:
Ich lasse mir einige Fotos schicken und muss bestätigen, dass das Video in Bozoum im Stützpunkt der Séléka-Rebellen aufgenommen wurde und einige Folterungen wiedergibt. Hier ein Artikel, der das Thema vertieft:
Am Freitag gelingt es mir, den Anführer der Rebellen zu mir kommen zu lassen. Ich erkläre ihm das Problem und rate ihm dazu, den Verursacher der Foltern zu verhaften, die Gefängnisse zu schließen und die Gefangenen freizulassen. Ich spreche mit ihm auch über das Problem in Herba und bitte darum, die Rebellen, die an dieser Straße stationiert sind, abzuziehen. Hoffen wir, dass etwas Positives geschieht.
Am Sonntag, d. 29 September, feiern wir das Fest des heiligen Michaels, des Patrons der Pfarrei. Möge er diese Stadt segnen und beschützen und uns die Kraft schenken, jeden Tag zu kämpfen!






Montag, 23. September 2013

Woche des Feuers






Die Zeit fliegt dahin, und die Tage in diesem Zeitabschnitt sind übervoll mit den Vorbereitungen für den Schulanfang, den Problemen mit den Rebellen und mit den Flüchtlingen.

Am Montag sind die Lastwagen des Welternährungsprogramms mit den Lebensmitteln angekommen, die an die Flüchtlinge verteilt werden sollen. Wir haben die Lebensmittel in drei Tagen, von Dienstag bis Donnerstag, an mehr als 5000 Personen verteilt. Jetzt müssen wir noch in drei Dörfer an der Straße Bozoum-Bossangoa aufbrechen, um die Verteilung an weitere 1300 Menschen vorzunehmen, die aus Angst vor Repressalien von Seiten der Rebellen auf den Feldern außerhalb der Dörfer geblieben sind. Hier zwei Videos: https://www.dropbox.com/s/9nytegq4hf9ymna/Bozoum%20sept%202014%2C%20viveri%20ai%20rifugiati.mp4e https://www.dropbox.com/s/w1nity7ogwip3g9/Bozoum%2C%20sept%202014%2C%20distribution%20PAM.MP4).

Die Rebellen machen weiter Probleme. In dieser Woche gab es in Bossangoa noch Gefechte und verbrannte Häuser. Zigtausende Menschen sind auf der Flucht. Noch am Freitag haben die Rebellen in Tolle, einem 70 km von Bozoum entfernten Ort, eine Person getötet und Dutzende von Häusern angezündet.
Die Rebellen wurden zwar vom Präsidenten aufgelöst, aber nur auf dem Papier.
Nach der Ohrfeige, die ich am Montagmittag erhalten hatte, bewegt sich etwas (abgesehen von meinem Gesicht!)
Die Sache ist bekannt geworden: Ich erhielt Telefonanrufe aus der ganzen Welt! Aber auch der Chef der Rebellen bekam einen Anruf aus Den Haag, dem Sitz des Internationalen Gerichtshofes, von Caroline, einer Aktivistin für Menschenrechte, die ihn warnte.
Heute Mittag schickte der Chef der Seleka-Rebellen von Bozoum jemanden um zu fragen, ob ich kommen könnte, und ich sagte ja.

Heute Nachmittag kam er, mit einigen Gefolgsleuten, dem Bürgermeister, einem Polizisten und einem von der Gendarmerie. So viele für einen allein!
Er entschuldigte sich bei mir für das, was passiert ist, und er sagte, wenn es ein Problem gebe, solle ich ihn anrufen, aber nicht in die Basis gehen.
Ich antwortete, dass es Zeit sei, diese Gewalt, die willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Diebstähle zu beenden. 
Er sagte mir, dass nur die verhaftet würden, die Waffen hätten. Ich sagte ihm, dass das nicht wahr sei, sondern dass viele nur verhaftet würden, um ihnen Geld abzuknöpfen. Es reiche nicht aus, die Waffen wegzunehmen. Man könne auch mit Händen oder Steinen töten: wenn sich nicht unser Herz ändert, macht es keinen großen Unterschied, ob man Waffen hat oder nicht.
Jedenfalls sind wir im Guten auseinandergegangen, und wir haben Hoffnung!

Morgen früh, am 23. September, öffnen die Schulen wieder: vom Kindergarten bis zum Gymnasium werden es mehr als 1200 Jungen und Mädchen sein, die die Mühe und Freude, zur Schule zu gehen, beginnen. Und es ist immer ein kleines Wunder, zur Schule zu gehen! Vorgestern machte ich die Anmeldungen, und es stellte sich eine Mutter mit ihrer Tochter vor.

Ich frage die Mutter, in welche Klasse das Kind geht, und die Tochter antwortet. Ich frage nach dem Namen der Tochter, und das Mädchen antwortet. Also frage ich, ob sie froh sei, wieder in die Schule gehen zu können, und sie antwortet, mit einem breiten Lächeln: „Ja!“

Gerade an diesem Tag haben wir die schöne Nachricht erhalten, dass die Organisation Siriri aus Tschechien uns helfen wird, die Schulen auch für die Flüchtlinge zu öffnen!
http://www.mzv.cz/jnp/cz/udalosti_a_media/x2013_09_19_humanitarni_pomoc_pro_stredoafrickou.html


Das sind die Dinge, die zählen! Und alle, die ein Ende dieses Krieges und dieser ganzen Gewalt wollen!
Aber die Zukunft bleibt sehr im Dunkeln. Mit 25000 Rebellen gibt es nur wenig Hoffnung auf Frieden. In der letzten Woche wurde in Bangui eine weitere Aktion der Entwaffnung beschlossen. Das Ergebnis? Sie haben 130 Gewehre in 12 Tagen sicher gestellt…..und die mittelfristigen Aussichten sind düster. 
An sich könnte diese Situation die Organisation von Wahlen innerhalb von 15-16 Monaten zulassen, aber keiner glaubt das. Es gibt keine Register mit Angaben zur Person mehr, die Präfekten sind noch nicht eingesetzt, und es ist nicht möglich, sich frei zu bewegen.
Allein auf der Strecke von Bozoum nach Ngaundaye haben die Rebellen 9 Straßensperren auf 200 km errichtet.


In secondo piano Goni, il mio amico schiaffeggiatore
Goni, mon ami le Giffleur!
Goni, my friend the slapper




Dienstag, 17. September 2013

Vorkommnisse auf der Fahrt


 
Gestern, am Sonntag, besuchte ich einen Patienten in einem Stadtteil. Auf dem Rückweg rufen  mich die Leute, damit ich einen jungen Mann von 25 Jahren sehe, der in Bocaranga wegen einer Geldangelegenheit, in die er nicht verwickelt war, von der Seleka verhaftet wurde und der nach Bozoum gebracht werden konnte.
Die Rebellen hatten ihn 11 Tage festgehalten, gefesselt und gefoltert: wegen der Schlägerei hat er ein Auge verloren und Arme und Hände sind gelähmt…..um ihn herauszubekommen und in das Krankenhaus zu bringen musste die Familie 90000 CFA bezahlen.
An diesem Montagmittag kam eine Mutter, die Witwe eines Pastors, der sein Leben vor kurzem während des Ramadanfestes bei einer wilden Schießerei verloren hatte (er litt unter Bluthochdruck)zu mir, um mich zu bitten, etwas für ihren Sohn zu tun. Er hatte ein einfaches Gewehr, hatte es dem Chef des Stadtteils ausgehändigt, wurde aber verhaftet, gefesselt und gefoltert. Auch er hat ein Auge verloren und seine Arme sind gelähmt….Die Seleka forderte 150000 f.
Da beschloss ich, loszugehen und die Seleka zu treffen.
Ich kam an der Basis an, da war nur ein bewaffneter Mann. Die Gefängnisse waren voll. Ich fing an zu fragen, wann sie aufhören würden, die Menschen zu foltern und gefangen zu halten. Die anderen Rebellen trafen ein, und ich fragte, wo der Chef sei. Man sagte mir, er sei im Haus auf der anderen Straßenseite , wo „der Oberst“ der Seleka residiere. Dorthin ging ich. Ich wartete; als die anderen Seleka-Rebellen ankamen, drohten sie mir und sagten, sie würden mich töten.
Der „Oberst“ traf ein. Wir setzten uns und begannen zu sprechen. Ich sagte ihm, dass ich wegen dieser Willkür gekommen sei, und ich erklärte, was geschehen war. Er sagte, dass es ihre Arbeit sei. Ich sagte, dass es nicht ihr Job sei, Leute zu verhaften und insbesondere zu schlagen. Er sagte, sie seien Soldaten, und sie könnten machen, was sie wollten. Ich bat dann um die Freilassung mindestens eines Gefangenen, dessen Zustand ernst war, aber er weigerte sich.
Und da kam ein anderer „Oberst“ (ein gewisser Goni), schrie, dass er mich töten würde. Ich hätte kein Recht zu kommen, um für die Inhaftierten zu vermitteln.
Er drohte mir mit einer Pistole, und dann gab er mir eine Ohrfeige.
In diesem Moment bin ich gegangen.
 
Wie soll es weitergehen, wenn es 9 Straßensperren zwischen Bozoum und Bangui, 9 zwischen Bozoum und Ngaundaye gibt?
 Wenn die Rebellen keine Autorität anerkennen, kein Gesetz….
Wie lange wird diese Hölle noch weitergehen?





Samstag, 14. September 2013

ANGST UND HOFFNUNG


 
Heute, am 13. September, hat der Präsident die Auflösung der Seleka, der Koalition der Rebellen, bekanntgegeben.
Eine schöne Nachricht. Wenn sie wahr wäre. Das heißt: Die Nachricht ist wahr, aber es wurde keine ernsthafte Initiative verkündet, um sicherzustellen, dass die 25000 Rebellen die Waffen niederlegen.
Wir hoffen es, aber in diesen Tagen war die Spannung sehr hoch, weil Zusammenstöße zwischen den Rebellen und irgendwelchen bewaffneten Banden stattfanden ( Vom Militär? Leute des Ex-Präsidenten? Andere Rebellen? Oder einfach Leute, die nicht mehr wie Sklaven leben wollen?)
Das Ergebnis war sehr bedrückend, mit mindestens 100 Toten.
Das große Problem ist, dass es zuerst auch Repressalien gegen Moslems gab ( seitens dieser Bande) und dann gegen Christen, seitens der Seleka, mit Zerstörung, Brand und Morden.
Die Zusammenstöße fanden in Bouca, Bossangoa und in der Nachbarschaft von Paoua statt….weniger als 150 km von Bozoum entfernt.
Und viele sind geflohen. Auch nach Bozoum. In Bozoum sind jetzt über 6400 Flüchtlinge!
In der Woche werden wir Lebensmittel verteilen und unterdessen auch an die Schule für die mehr als 3000 vertriebenen Kinder denken.
Und wenn sich die Situation nicht bessert…..die Hoffnung stirbt nicht!
Hoffnung! Gerade ist Vojtech, ein Junge von 20 Jahren, aus Pilsen (Tschechien) bei uns eingetroffen, der mit uns ein Jahr als Lehrer verbringen will…und als Schüler! Dadurch, dass er hier lebt, will er das Leben in diesem Teil der Welt kennenlernen.
Hoffnung. Wir sind dabei, den Bau des Zentrums für die Schüler zu beenden, das eines Tages ungefähr 40 Jungen und Mädchen unserer Schule, die aus Ndim, Bosemptele und anderen Orten  kommen, aufnehmen soll.
Hoffnung. Ende August und Anfang September haben wir eine zweiwöchige Ausbildung für 80 Lehrer unserer Schule organisiert. Pädagogik, Verbesserung des Unterrichts, aber auch Sensibilisierung  für politische Erziehung, die wir dringend benötigen.
Hoffnung. In diesen Tagen sind  80 Katecheten für ein paar Wochen in der Ausbildung über den Glauben, das Credo, die Sakramente und die Ehe.
Hoffnung. Gestern Nachmittag verbrachte ich eine Stunde mit einem Rebellen. Ich spielte den Engel, der versuchte, ihn zu verleiten und ihm dabei zu helfen, zu reflektieren und das Schöne und  Gute, das er im Innern hat, an die Oberfläche kommen zu lassen… …und seinen Weg zu ändern!
Hoffnung. Morgen, am Samstag, d. 14., treffen wir uns mit den religiösen Führern: den katholischen, den protestantischen, und den muslimischen, um zu beten, zu reflektieren und unserem Volk zu helfen, sich nicht auf den Weg des Hasses, der Angst und der Verachtung zu begeben.
Hoffnung, die auf den Gesichtern von vielen leuchtet. Es ist der Glaube!
 
Aber die Hoffnung, sagt Gott, das ist es, was mich erstaunt.
Das ist erstaunlich.
Dass diese armen Kinder sehen, wie die Dinge laufen, und dass sie glauben, dass es morgen besser wird.
Dass sie sehen, wie die Dinge heute laufen und dass sie glauben, dass es morgen besser wird.
Das ist erstaunlich und es ist wirklich das größte Wunder unserer Gnade.
Und ich bin selbst darüber erstaunt.
Und es ist notwendig, dass meine Gnade tatsächlich eine ungeheure Kraft sei.
Und dass sie sprudele aus einer Quelle und fließe wie ein unerschöpflicher Fluss.
Seit diesem ersten Mal, als sie sprudelte, sprudelt sie immer.
 
Der Grund sind meine 3 Tugenden, sagt Gott.
Die 3 Tugenden sind meine Schöpfung.
Sie sind wie meine anderen Schöpfungen.
Von der Art der Menschen.
Der Glaube ist ein treuer Ehepartner.
Die Liebe ist eine Mutter.
Die Hoffnung ist das kleine Mädchen von niemandem..
 
Sie kam im letzten Jahr am Weihnachtstag auf die Welt.
Sie spielt noch im Januar mit dem Vater.
Doch es ist dieses kleine Mädchen, das die Welt durchquert.
Dieses kleine Mädchen von niemandem.
Dieses allein durchquert die vollendeten Welten, indem es die Anderen trägt.
 
                                                                                               
 
 
(Charles Péguy)
 
 









Samstag, 7. September 2013

Jetzt reicht es!


 
Mittwoch früh brechen wir um 4:30 Uhr in Richtung des 250 km entfernten Bouar auf. Hier treffen wir von Caritas und Justitia et Pax uns am Nachmittag, weil es ein sehr großes Problem gibt: seit dem 16. August haben in Bohong Übergriffe stattgefunden. Es gab mindestens 30 Tote und es wurden mehr als 2000 Häuser zerstört, die niedergebrannt wurden, um die Bevölkerung am Bleiben zu hindern. Wir hören das Zeugnis eines Priesters,  Abbé Michel, der, genauso wie die Ordensschwestern, fliehen musste. Ein Teil der Einwohner ist ins 80 km entfernte Bouar geflohen, andere sind in Lagern rund um Bohong geblieben.
 
Am Abend trifft der Erzbischof von Bangui ein, der der Vorsitzende der Bischofskonferenz und Präsident der Caritas ist. Seine Anwesenheit ist sehr wichtig, um die Menschen zu ermutigen und zu trösten, aber auch, um das, was geschieht, anzuklagen.
 
Donnerstagmorgen Aufbruch um 6 Uhr. In Forte, 20 km von Bohong entfernt, beginnt die kritische Zone: Es gibt Hunderte von verbrannten Häusern. Dann kommt Ndakaya und schließlich erreichen wir Bohong. Während ich darauf warte, dass die ganze Delegation eintrifft, mache ich einen Rundgang und werfe einen Blick auf den Ort. Dort liegen noch zurückgelassene Skelette und Schädel herum.
Als der Erzbischof eintrifft, wird die Menschenmenge größer. Wir versammeln uns in der Kirche, gemeinsam mit der protestantischen Gemeinde (die hier ein kleines Krankenhaus hat, das ebenfalls geplündert wurde). Das Kirchlein platzt aus allen Nähten. Wir beginnen mit der Feier der Messe, und viele nehmen daran teil. Sofort danach lassen wir den Leuten das Wort, und sie sprechen mutig. Es ist erschütternd, den Frauen zuzuhören, die ihren Mann verloren haben, den Vätern, die gesehen haben, wie ihr eigener Sohn getötet wurde. Man sieht Schmerz, aber keine Wut. Einer von ihnen sagt: „Aber sind nicht auch wir Zentralafrikaner?“ Ein anderer sagt: „Wir sind Sklaven“…
 
Tausende von Häusern wurden niedergebrannt. Alles, was die Menschen hatten, ist verloren. Was Sorge bereitet, ist der Bruch, der sich zwischen der muslimischen Gemeinschaft und den anderen gebildet hat. Kein muslimisches Haus ist niedergebrannt worden… Außerdem hatten einige Jugendliche aus dem Ort den Rebellen das Haus des einen oder anderen gezeigt, die Krankenstation, die Klinik…
 
Der Wiederaufbau wird viel Zeit brauchen, aber noch viel mehr Zeit wird es kosten, wieder ein unbeschwertes Zusammenleben zu erreichen…
 
Als die Versammlung zu Ende ist, bleibe ich mit den Dorfvorstehern in der Kirche, um eine Sammlung von Daten über die niedergebrannten Häusern und die Opfer zu organisieren, um schnell tätig werden zu können.
 
Der Erzbischof und die Delegation brechen gemeinsam auf. Ich stoße später dazu, als die Versammlung schon angefangen hat.  So viele Leute sind da. Bei meiner Ankunft höre ich, dass Arabisch gesprochen wird, und mit gedämpfter Stimme (aber so, dass man es in einem Umkreis von mindestens 30 Metern hören kann) frage ich, ob wir in Zentralafrika sind oder wo…  Der Sprecher ist der Anführer der Rebellen. Der Dolmetscher übersetzt das, was er gesagt hat: „Hier ist alles ruhig, wir haben niemandem etwas Böses getan, es ist nichts passiert“…
 
Der Bürgermeister sagt, dass die Leute ins Dorf zurückkehren sollen- was passiert ist, ist passiert und so weiter. Der Generalvikar der Diözese, Abbé Mirek, anwortet: „Wohin zurückkehren? Alle Häuser sind niedergebrannt worden!!!“ Und hier applaudieren die Leute stark.
 
Nach der Versammlung gehen wir das lutheranische Krankenhaus anschauen. Hier gibt es auch eine Entbindungsstation. Auch hier sind die Rebellen eingedrungen und haben geschossen (in einem Krankenhaus!) und Medikamente, ein Mikroskop, Solarpaneelen, Motorräder und den Motor eines Autos geraubt.
 
 
Wir machen uns mit großem Schmerz wieder auf den Weg. Wie viele Bohongs gibt es? Wieviele Dörfer haben das gleiche Schicksal erlitten? Und wann wird alles das ein Ende haben?
 
















Dienstag, 3. September 2013

Von Schule, Rebellen und Orchideen




 Am Montag begann die Fortbildung für die Lehrer an unserer Schule in Bozoum, für die Lehrer der Dörfer und für die aus Bossemptele: fast 80 Lehrer!
Zwei Wochen lang werden sie damit beschäftigt sein, neue Ideen und neue Formen für das Unterrichten von Französisch, Mathematik und politischer Bildung zu bekommen.
In einer Zeit der schweren Krise im Land ist es unserer Meinung nach notwendig, das Unterrichten der grundlegenden Regeln des Lebens und des Zusammenlebens in der Gesellschaft  wiederzubeleben: Um wieder zu lernen, was ihre Rechte (die hier oft mit Füßen getreten werden) und ihre Pflichten sind (sehr oft vermieden, besonders von den zivilen Behörden).
Die Kurse beginnen um 8 Uhr morgens und enden um 12 Uhr. Nach der Mittagspause geht es um 14 Uhr bis 17 Uhr weiter.
Das ist sehr intensiv und hart, aber die Lehrer sind glücklich, ihre Arbeit verbessern zu können.
Am Mittwochnachmittag war ich auf dem Weg nach Ngaundaye, einem Dorf, das 210 km von Bozoum entfernt liegt. Ich ging durch die Missionen von Bocaranga und Ndim, und um 19 Uhr, nach fast 6 Stunden Fahrt (schrecklich, manchmal sehr schlecht, und umgekehrt) und nach 9 Straßensperren von den Rebellen  kam ich in Ngaundaye an.
Hier informieren sie mich, dass die Rebellen am selben Tag sieben Bauern im Dorf Makele(4 km entfernt) getötet haben.
In jedem Ort, durch den ich komme, dieselbe Sprachlosigkeit: 5 Monate nach dem Putsch weiterhin Töten und Plünderungen. Die Behörden sind nicht da, und die Rebellen machen ungestraft weiter, was sie wollen.
In der Tat gab es in diesen Tagen wiederholt Angriffe der Seleka-Rebellen in verschiedenen Vierteln in Bangui. Schließlich dachten die Menschen, voller Angst, ausgeraubt, verletzt, dass der Flughafen der einzige sichere Ort sei.
Hier sind die französischen Soldaten und die von MISCA (einer multinationalen Truppe in den Ländern Zentralafrikas). Die Flüge sind für ein paar Tage ausgesetzt, aber es ist zumindest für etwas gut.
Auf dem Rückweg  amüsiere ich mich ein wenig an der Straßensperre der Rebellen. In Bocaranga hält mich einer auf, und einer aus Zentralafrika fragt mich, wohin ich fahre.
Ich antworte ihm, wenn er wisse, wohin ich fahre, was könne er tun?
Er sagt mir, das sei keine schlimme Frage, und ich antworte, dass auch meine Antwort nicht schlimm sei……
Es kommt der Anführer, der nicht aus Zentralafrika stammt und kein Sango spricht. Er fragt: “qu’est ce qu’y a dans bagages” („Was ist im Gepäck?“) Ich sage ihm, dass das meine Sache sei.
Er fragt nach dem Anlass der Reise, und ich antworte, dass ich keinen brauche. Ich in Sango und er in mehr oder weniger Französisch. Er sagt mir, dass er kein Sango verstehtIch sage ihm, wenn er nicht aus diesem Land sei, könne er in das Land, aus dem er komme, zurückgehen…. . Er sagt mir, er sei Zentralafrikaner, aber, wie er  in falschem Französisch sagt,  „ich habe gewachsen in Kamerun“. Wir streiten ein bisschen, bis er genervt ist und mich gehen lässt. Der Zentralafrikaner, der die Schranke öffnet und an der Szene teilgenommen hat, zwinkert mir zu und alle sind glücklich!
Lachend setzen wir die Reise fort.
Hier in Bozoum geht alles weiter. Die Zahl der Flüchtlinge hat sich erhöht. Jetzt sind über 2970 registriert.
Aber auf der Straße zur Missionsstation wachsen an den Stämmen der Mangos herrliche Orchideen.
Wird auch die Zentralafrikanische Republik wiedergeboren werden und so aufblühen?